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Wie ich zum Schreiben kam

Zuerst war da die Liebe zu Geschichten

Angefangen hat es damit, dass uns unsere Mutter schon von klein auf Bilderbücher vorlas. Als Kindergartenlehrerin kannte sie die interessantesten und nannte die schönsten Bildbände ihr Eigen. Auch als wir größer wurden, las sie uns jeden Abend vor dem Einschlafen vor. Irgendwann konnten wir alle selbst lesen und strampelten regelmäßig mit unseren Fahrrädern in die Bibliothek im Nachbarsdorf, um uns mit neuem Material einzudecken. In meinen Jugendjahren brauchte ich dann nicht einmal mehr in die Bibliothek zu radeln: In einem Haushalt mit vier Schwestern und einem Bruder ‒ alle lesefreudig ‒ gab es mehr als genügend Lesestoff nur ein Zimmer nebenan.

Foto der Autorin Katharina Jäckle.
Dann war da die Liebe zum Schreiben
 

Das erste Mal, dass ich dachte, ich könnte einmal Autorin werden, war in der Primarschule. Ich schätze, ich war knapp zehn Jahre alt. Als in der großen Pause alle nach draußen stürmten, hielt mich meine Lehrerin zurück und schwärmte von meiner Geschichte, die wir in der letzten Deutschstunde schreiben mussten. Daraus könne man ein Bilderbuch machen, meinte sie. Obwohl mir das furchtbar unangenehm war ‒ ich war hoffnungslos schüchtern ‒, sprang ein Funke über und schlummerte fortan tief in mir drin.

Der zweite Funke zündete am Gymnasium, mit knapp fünfzehn Jahren. Im Deutschunterricht mussten wir einen Hausaufsatz verfassen, einen eigenen Mythos oder ein Märchen. Ich schrieb eine absolut kitschige Geschichte über die griechischen Götter in der heutigen Zeit mit dem Titel »Vorausbestimmt für immer und ewig!!!« Ja, die drei Ausrufezeichen gehörten dazu. Der Mythos gefiel unserem Lehrer so gut, dass er ihm schriftstellerische Qualität attestierte und ihn vor der ganzen Klasse vorlas. Das war mir dermaßen peinlich, dass ich mir vornahm, den nächsten Aufsatz extra schlecht zu verfassen. Mir wurde klar: Es würde als Autorin schwierig werden, wenn ich nicht wollte, dass irgendjemand las, was ich schrieb.

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Jahrelang schrieb ich nur für mich. Wie besessen kritzelte ich in mein Tagebuch: Erlebnisse, Gefühle, Gedanken. Davon hatte ich viele. Die Tagebücher waren mit einem Schloss geschützt, damit ja niemand lesen konnte, was ich da von mir gab.

Der Traum, zu schreiben, tauchte immer mal wieder an die Oberfläche. Als ich mich für ein Studium entscheiden musste, rief in der Infothek der Studienberatung als Erstes der Informationsordner zu Journalismus meinen Namen (damals gab es diese Informationen noch nicht im Internet). Dieser klärte mich darüber auf, dass die meisten Studienanfänger bereits Erfahrungen bei einer Schülerzeitung oder ähnlichem mitbrachten. Dieser Satz allein genügte, um den Traum wieder in der Tiefe verschwinden zu lassen. Ich entschied mich stattdessen für Psychologie, da mich Menschen und ihre Geschichten faszinierten.

Foto des Arbeitplatzes der Autorin Katharina Jäckle. Laptop, Schreibstifte, eine Tasse, ein Fachbuch, Blumenstrauss und viele Bücher im Regal im Hintergrund.

Als ich für die Abschlussprüfungen büffelte, legte ich aus einer Laune heraus ein Worddokument mit dem vielsagenden Namen »Untitled« an und schrieb die erste Szene meines späteren Debütromans. Es sollte aber mehr als ein Jahrzehnt vergehen, bevor ich das Dokument wieder öffnen würde. Stets kam etwas »Wichtigeres« dazwischen: der erste richtige Job, ein neuer Job, eine Weiterbildung, ein Job mit Führungsverantwortung, das erste Kind, dann das zweite. Wenn ich ehrlich bin, war die entscheidende Hürde jedoch, dass ich meinen Traum als unsinnig, ja unoriginell abtat. Praktisch jeder will ein Buch schreiben, fast keiner tut es. Warum sollte es ausgerechnet bei mir anders sein?

 

In meiner Arbeit als Berufs- und Studienberaterin unterstützte ich meine Kund*innen dabei, das nächste Kapitel ihrer Geschichte zu schreiben, und gab ihnen Raum, von ihren Träumen zu berichten. Mir selbst tat ich nicht denselben Gefallen und hörte meinen eigenen beruflichen Träumen nicht richtig zu. Als ich Jahre später auf der Suche nach einer neuen Herausforderung in der Laufbahnberatung bei einer meiner Arbeitskolleginnen landete, fragte sie mich, was ich tun würde, wenn ich alles, wirklich alles tun könnte. Das war der Moment, meinen tief vergrabenen Traum, einmal ein Buch zu schreiben, auszubuddeln, an die Oberfläche zu befördern und ihm Gehör zu geben.

Unterdessen schreibe ich an meinem fünften Roman.

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